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Ja zu Olympia - Nein zu Militärfestspielen
Die deutsche Armee nutzt aktuell die Olympischen Sommerspiele 2016, um mit ihren Sportsoldatinnen und Sportsoldaten als Werbeträger neuen Nachwuchs zu finden. Doch die Bundeswehr ist kein Sportverein. Wir, die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, fordern: Diese Forderungen begründen wir im Folgenden weiter.
Die Bundeswehr ist kein Sportverein
Mit einer großangelegten Fernseh- und Plakat-Kampagne wirbt die Bundeswehr aktuell für sich als „Offizieller Ausbilder von Vorbildern“. Im Zentrum der Werbekampagne stehen die 744 von der Bundeswehr geförderten Spitzensportlerinnen und -sportler, von denen einige an den Olympischen Sommerspielen im brasilianischen Rio de Janeiro teilnehmen. Da sich der Lebensunterhalt mit manchen Sportarten kaum bestreiten lässt, stellt die Bundeswehr die Sportlerinnen und Sportler ein. Insgesamt machen die Sportsoldatinnen und -soldaten nur 0,42 Prozent aller 176.015 aktiven Soldaten aus. Und so geht es bei der aktuellen Bundeswehr-Kampagne auch nicht darum, neue Sportlerinnen und Sportler zu finden, sondern um die Nachwuchssuche für militärische Einsätze. Die deutsche Armee nutzt ihre Sportsoldatinnen und -soldaten in der Werbekampagne lediglich als Lockmittel für die militärische Laufbahn, wie auf der Website der Bundeswehr zu lesen ist:

„Die Arbeitgeberkampagne zu den Olympischen Sommerspielen ist der Beginn, die Sportförderung der Bundeswehr personalwerblich intensiver zu nutzen. Nach der nationalen Kampagne werden die Karrierecenter der Bundeswehr auf regionaler Ebene Kooperationen mit den Spitzensportlern fortsetzen, um dieses Element für die Personalgewinnung erfolgreich umzusetzen.“

Die Kampagne verschweigt dabei den militärischen Charakter der Bundeswehr: Gefährliche Auslandseinsätze wie der in Afghanistan, Mali oder am Horn von Afrika werden nicht thematisiert. Das Risiko körperliche oder seelische Schäden beim Dienst davonzutragen, wird verschwiegen – immerhin sind allein im Afghanistan-Einsatz über 50 Bundeswehr-Soldaten umgekommen. Die Zahl in Einsätzen traumatisierter Soldaten steigt.

Die Slogans der Bundeswehr-Kampagne – „Wir kämpfen für die Freiheit. Und für Medaillen“, „Wir machen Karrieren. Und Olympia-Sieger“ – sind ein skrupelloser Versuch der Armee, neue Rekruten zu ködern. Die Bundeswehr ist eine Armee mit militärischem Auftrag, Sportförderung gehört nicht zu ihren originären Aufgaben. Die Täuschungs-Kampagne muss sofort aufhören!
Der DOSB verstößt gegen seine Satzung
In der aktuellen Bundeswehr-Werbung ist neben dem Bundeswehr-Logo auch das des Deutschen Olympischen Sportbunds zu sehen. Beide Organisationen arbeiten eng zusammen. Dabei heißt es in der Präambel der Satzung des DOSB:

„Der DOSB bekennt sich zu einem humanistisch geprägten Menschenbild, er dient der Wahrung und Förderung der ethischen Werte im Sport und fördert das bürgerschaftliche Engagement. Er vertritt den Grundsatz religiöser und weltanschaulicher Toleranz sowie parteipolitischer Neutralität. Er tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie jeder Form von Gewalt, unabhängig davon, ob sie körperlicher, seelischer oder sexueller Art ist, entschieden entgegen. Er sieht sich insbesondere dem Schutz von Kindern verpflichtet, fördert deren Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegung und Sport und trägt zu Rahmenbedingungen bei, die ein gewaltfreies Aufwachsen ermöglichen.“

Die Bundeswehr setzt als vom Parlament beauftragte, staatliche Armee explizit von der Politik vorgegebene deutsche Interessen mithilfe des Einsatzes von Gewalt durch. Daneben gefährdet die Bundeswehr durch ihre Rekrutierungspraxis – die Bundeswehr bildet jährlich über eintausend 17-Jährige an der Waffe aus – das Kindeswohl, wogegen Kinderrechtsorganisationen, die Vereinten Nationen und wir schon seit Jahren protestieren. Somit wird durch die Bundeswehr-Kooperation und die aktuelle Werbekampagne gleich an mehreren Stellen gegen die DOSB-Satzung verstoßen.
Als zivilgesellschaftlicher Sportverband sollte sich der DOSB nicht zum Büttel des staatlichen Militärs machen. Die Kooperation mit der Bundeswehr, die auch eine Form des militärischen Konzepts der „Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit“ ist, muss beendet werden!
Militärische Sportförderung hat viele Nachteile
Auch für die Sportlerinnen und Sportler selbst birgt die Anstellung bei der Bundeswehr Nachteile: Die Bundeswehr stellt hohe Anforderungen an sie. Wer Leistungsziele nicht erreicht, droht schnell aus dem Förderprogramm herauszufallen – der Druck ist hoch. Und da die Bundeswehr volle Konzentration auf den Sport verlangt, gehen die meisten Sportsoldatinnen und Sportsoldaten keiner geregelten Ausbildung nach. Dies kritisiert auch Professor Wolfgang Maennig von der Universität Hamburg, der 1988 in Seoul Olympiasieger im Rudern wurde:

„Mittelfristig begünstigt [die Sportförderung der Bundeswehr] eine Verdrängung und Ausgrenzung des Talentepools der Berufstätigen und Bildungsaffinen aus dem Spitzensport. Die spitzensportliche Basis und damit der Erfolg schrumpfen langfristig. Hart formuliert: Ein System, welches signalisiert, dass man, um sportlichen Erfolg zu haben, Sportsoldat werden muss, wird langfristig denkende, bildungsaffine Jugendmilieus zukünftig vom Spitzensport abhalten. Das heutige Signal heißt tendenziell: Entweder du wirst Sportsoldat, oder du hast keine Chance im Sport. Und wenn du dann Sportsoldat bist, gehe keiner Ausbildung nach. Der Bundestrainer leitet aus deinem Soldatenstatus die ständige Verfügbarkeit ab.“

Bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London erbrachten die Armee-Sportler zudem nur unterdurchschnittliche Leistungen: Von der 391-köpfigen DOSB-Mannschaft waren 115 Sportsoldatinnen und -soldaten, die allerdings nur 18 Medaillen gewannen. Während Sportsoldaten 29 Prozent der deutschen Olympiamannschaft ausmachten, lag ihr Anteil an den deutschen Medaillengewinnern bei nur 20 Prozent. Dabei gibt die Bundeswehr jährlich 35 Millionen Euro Steuergelder für ihre Sportförderung aus. Doch Talente lassen sich nur mit einer langfristigen Lebensperspektive anziehen – und die ist bei der Bundeswehr nicht gegeben. Es gibt aber schon heute viele – aber im Gegensatz zur Bundeswehr unzureichend finanzierte – zivile Alternativen zur militärischen Sportförderung: Etwa die Stiftung Deutsche Sporthilfe sowie Polizei- und Feuerwehr-Sportabteilungen.
Die Bundeswehr bietet jungen Sportlerinnen und Sportlern keine langfristige Perspektive. Zudem ist die Frage, Mitglied einer Armee zu werden, nie einfach. Zivile Sportförderprogramme müssen ausgebaut und die Sportförderung durch die Bundeswehr muss eingestellt werden!
Militärische Sportförderung hat viele Nachteile
Auch andere Armeen – etwa die Russlands, der USA, Chinas und vieler europäischer Staaten – setzen Soldaten bei den Olympischen Sommerspielen ein. Damit verlieren die Spiele ihren zivilen Charakter. Der sportliche Wettbewerb sollte schon immer eine Alternative zur militärischen Auseinandersetzung sein.
Bereits bei den Olympischen Spielen der Antike galt drei Monate vor den eigentlichen Spielen ein Waffenstillstand, damit alle Athleten, Künstler, Familien und einfache Reisende in Sicherheit anreisen, die Wettkämpfe miterleben und wieder abreisen konnten. Auch den Olympischen Spielen der Neuzeit wohnt ein Friedensgedanke inne: So wollte Baron Pierre de Coubertin, der Gründer des Internationalen Olympischen Komitees, dass sich die „Jugend der Welt“ bei sportlichen Wettkämpfen misst, statt sich auf den Schlachtfeldern zu bekämpfen.
Auch deshalb muss die zunehmende Militarisierung des Sports gestoppt werden. Statt zu einem Wettbewerb von Soldatinnen und Soldaten zu werden, sollten die Olympischen Spiele eine rein zivile Sportveranstaltung sein und einen Friedensgedanken in die Welt tragen!
Wir unterstreichen in diesem Zusammenhang unsere Forderungen nach einem sofortigen Ende der aktuellen Bundeswehr-Werbekampagne, die Sportsoldatinnen und Sportsoldaten lediglich als Lockmittel für den militärischen Dienst in der Armee nutzt, dem Ende der Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Olympischen Sportbund und der Bundeswehr, die gegen die DOSB-Satzung verstößt, und ein Ende des Sportförderprogramms der Bundeswehr, da jungen Sportlerinnen und Sportlern eine langfristige Perspektive geboten werden muss!
Weitere Informationen zu „Sportsoldaten":

Buchterkirchen, Ralf: Kriegsführung auf der Aschebahn – Die Sportförderung der Bundeswehr, in: ZivilCourage 2016/2, S. 24 (PDF).

Stache, Christian: Deutsche Militärparade bei Olympis, in: Informationsstelle Militarisierung, 30. Januar 2014.

Stache, Christian: Die Truppe turnt, in: AG Friedensforschung, 27. Mai 2014.

Virchow, Fabian: Jungs Jungs – Sport, Nation und Militär, in: Wissenschaft & Frieden 2009-3.

Weigelt, Julia: Sportler in Uniform - Ist die Bundeswehr-Förderung noch zeitgemäß?, in: NDR-Sendung „Streitkräfte & Strategien“, 30. Juli 2016 (MP3, ab Min. 3:23) oder als PDF.